Der Etikettenschwindel des Begriffs "Nutztier"

Das Wort „Nutztier“ klingt vertraut und harmlos. Genauso harmlos, wie die meisten dieser Tiere sind. Sie tun uns nix Böses, ganz im Gegenteil. Sie scheinen sogar recht nützlich. Also für uns Menschen. Wir essen sie, wir trinken ihre Körperflüssigkeiten und so weiter. Ersparen wir uns die Details.

Wir haben die Welt mit Wörtern versehen. Und diese Wörter sprechen – das wird an diesem Wort sehr deutlich - eine sehr egoistische Sprache. Wir alle kennen weitere solcher Bezeichnungen. Insekten gruppieren wir in „Nützlinge“ und „Schädlinge“, ohne auch nur ansatzweise über den Tellerrand unseres eigenen Stückchens Ackers hinausgeschaut zu haben. Und so manches „Wildkraut“ wird in den Augen von Landwirt:innen, Gärtner:innen und im Schulgarten zum verhassten „Unkraut“.

Dabei ist es doch so: Es gibt weder „die Nutztiere“, noch „das Unkraut“, noch „die Schädlinge“. Es gibt sie immer nur für uns, also für einen sehr kleinen Teil dieser Welt. Diese begrenzte Gültigkeit dieser Wörter verlieren wir jedoch in der Sprache schnell aus den Augen. Wörter wirken wie Etiketten. Sie bleiben haften. Wenn das Wildkraut für die Landwirt:innen zum Unkraut wird, dann wir es für alle Landwirt:innen zu Unkraut, dann wird es für alle Brotesser zum Unkraut, dann ist es bereits ein Unkraut für alle und endet als solches im Lexikon unter der Überschrift: Unkraut.

Aber zurück zum „Nutztier“. Das Wort hat ein weiteres Problem. Es ist ein knallharter Euphemismus. Wir drehen uns damit nicht nur unsere Welt, wie-de-wie-de-wie sie uns gefällt. Wir werten die Tiere ab, reduzieren sie auf das einzige - aus unserer Sicht - Sinnvolle ihrer Existenz.
Aber – jetzt kommts – gleichzeitig werten wir sie mit dem Wort wiederum auf. Denn was ist besser als von Nutzen zu sein, in unserer schönen Welt. Der Nützliche ist der Gute. Das gilt für Schweine, wie für Menschen. Und genau darum lächelt uns das kleine Schweinchen auch immer so keck-wissend an, auf dem Schild der Fleischerei oder auf der Wurstverpackung.
Mit einer so verharmlosenden Sprache ist es auch kein Wunder, dass man denkt, den lieben Tieren geht’s doch gut, im Megastall. Die Schweine brauchen das halt so.

Sprache schafft Orientierung. Drum sollten wir zumindest ehrlich sein mit der Benennung dieser Tiere, damit uns die Moral nicht flöten geht. Es sind also keine „Nutztiere“, sondern „ausgenutzte Tiere“. Wenn wir anfangen, sie so zu nennen, werden es auch mehr Menschen erkennen.


Folgt dem Wortgucker auf Facebook | Twitter | Youtube.

Likes & Diskussion wie immer auf Facebook ↓

Das Wort „Nutztier“ klingt vertraut und harmlos. Genauso harmlos, wie die meisten dieser Tiere sind. 🐮🐷🐣 Sie tun uns nix...

Gepostet von Wortgucker am Mittwoch, 13. Januar 2021