Der Mutti-Frame

Der Mutti-Frame

Framing heißt es, wenn unser Denken durch Wörter in bestimmten Schienen läuft. Heute geht's um den Mutti-Frame & was der mit uns macht (wichtig vor der BTW 2017 zu wissen).

  • Ich bin stocksauer (Merkel im TV-Duell)
  • Merkel liest Autobossen die Leviten (BILD)
  • Merkel rüffelt die Automanager (FAZ u.v.a.)
  • Verbraucher und Behörden wurden getäuscht und enttäuscht (Merkel)
  • Es betreffe ja nur eine Minderheit der Branche, diese müsse nun alles daran setzen, Glaubwürdigkeit und Vertrauen so schnell wie möglich zurückzugewinnen. (Merkel)

Wonach hört sich das alles an? Richtig, das klingt nicht nach einem der höchsten Ämter im Staate. Das klingt nicht nach Strafverfolgung wegen krimineller Machenschaften. Das klingt nach Mutti. Mutti ist stocksauer. Mutti rüffelt die bösen Bosse. Mutti liest die Leviten. Würde Mutti von Betrug reden, wenn sie ihre Lausebengel meint? Nein. Darum tut sie es auch nicht. Sie sagt getäuscht. Mutti ist enttäuscht.
Und wie es sich gehört, wenn die Kinder böse waren, ist am Ende eine Entschuldigung fällig. Voilá: Der Präsident des Verbands der Automobilindustrie Wissmann antwortet kleinlaut: Wir sind uns bewusst, dass Vertrauen verloren gegangen ist. Dies zurückzugewinnen, ist unser zentrales Anliegen.

Dass wir uns im Mutti-Frame befinden, sehen wir an den o.g. Schlagzeilen unserer Leitmedien. Die Sprachmuster sind eindeutig. Es geht gar nicht mehr um Politik. Mutti, das ist ein Folklore-Modell urdeutscher Sehnsüchte. Dabei hat Deutschland Probleme. Jene Probleme über die Mutti nicht redet: die Schere zwischen Arm & Reich, die Zukunft der Bildung, eine ökologisch sinnvolle Infrastruktur und und und. Aber mal ehrlich: Will man mit Mutti wirklich über Probleme reden? Oder ist es nicht ein Teller von Muttis Kartoffelsuppe und schon gehts wieder.

Mutti-Framing

Was als ehrfürchtiger Merkel-Spott im linksgrünen Lager begann, bahnte sich seinen Weg hinter die vorgehaltenen Hände der CDU- & CSU-Stammtische und wurde schließlich Volkskult. Doch der Spott glitt ab an Merkels unverwüstlicher Gabe Untergebenen etwas durchgehen zu lassen (siehe Seehofer). Ihr sagt Mutti zu mir, aber ich regiere Euch. Und so ist das Mutti-Framing der Kanzlerin entscheidend mitverantwortlich für Merkels Erfolg oder sagen wir besser für ihre Beliebtheit.
Mittlerweile ist der Mutti-Frame fester Teil von Merkels Wahlkampfsymbolik. Voll muttiviert twittern dynamische CDU-Jünger und warten mit dem Selfie-Stick in der Hand auf ihr eintrudelndes Idol. What a Show.

Warum wählen nun die Deutschen am 24. September wieder Merkel? Mutti rüffelt zwar, Mutti ist manchmal sauer und liest uns die Leviten, wenn sie enttäuscht wurde. Aber zu Mutti kann man immer gehen. Die wird nicht laut und sie vergibt die bösen Streiche schnell. Darum geht es ja auch nicht so recht vorwärts mit ihr. Ja klar, Mutti nervt auch richtig oft mit ihrer Inkonsequenz. Aber man lässt Mutti nicht im Stich.
Befindet man sich im Mutti-Frame ist Abwahl gar keine Kategorie mehr, denn es geht um Folklore nicht um Politik.

Mutti wählt man nicht einfach ab.

PS

Mama, Und bringt das Leben mir auch Kummer und Schmerz, Dann denk ich nur an dich, Es betet ja für mich oh Mama dein Herz.

(Heintje)

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🏆 Der Wettbewerb um das beste Wording, damit man nicht #Obergrenze sagen muss, erreicht einen weiteren kreativen Höhepunkt. Seit sich heute @CDU & @CSU trafen, heisst es #atmender_Deckel. 😨 Weitere Vorschläge?

Posted by Eric Wallis on Montag, 9. Oktober 2017

PPS
Übrigens ist das Mutti-Framing vielleicht sogar wirklich das kleinere Übel. Denn, größer als der deutsche Mutterkomplex ist nur unser Vaterkomplex.

PPPS
Nicht nur Mutti-Wording gibt es beim 👀wortgucker.
Folgt 👇 ihm & guckt, wie die Sprache uns steuert.
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